Portion Hoffnung – Utopien für Realisten

An manchen Tagen, nee eher an vielen Tagen blicke ich pessimistisch auf unsere Zukunft. Klimakrise, viele, viele -Ismen und ein riesiger Druck auf jeden Menschen, sich möglichst zum allerbesten ihrer*seiner selbst zu optimieren und natürlich alleine dafür die Verantwortung zu tragen. Die Lichtblicke fallen mir kaum auf. 

Ins neue Jahr bin ich mit einem Sachbuch gestartet, welches ein solcher Lichtblick ist. Es gibt mir eine Portion Hoffnung (ich brauche mehr solcher Bücher). Utopien für Realisten von Rutger Bregman, übersetzt von Stephan Gebauer. Daher will ich es dir heute vorstellen, auch wenn es keinen direkten Bezug zur Nachhaltigkeit hat. 

Inhalt von Utopien für Realisten

Schon der Untertitel der deutschen Ausgabe verrät, welche Themen der Rutger Bregman in Utopien für Realisten ansprechen will, die 15-Stunden-Woche, offene Grenzen und das bedingungslose Grundeinkommen. Dabei geht es dann auch um Armut, ein erfülltes Leben und die Chance etwas gegen die Klimakrise zu tun (also doch ein Buch, welches gut zum Blog passt).

Zu Beginn beschreibt Bregman warum es Utopien braucht, was überhaupt Utopien sind und warum wir welche brauchen und vergessen haben danach zu streben. 

Die nächsten Kapitel handeln von der Bekämpfung von Armut und letztlich geht es um das bedingungslose Grundeinkommen. Es wird von Projekten in den USA und Kanada berichtet, die zeigen, wie leicht Armut bekämpft werden kann, wenn der Staat allen Menschen Geld zum leben gibt, ohne Regeln und Kontrolle und um wie viel günstiger dies ist, als viele der Sozialprogramme. U. a. weil viele Programme wert auf Weiterbildungen etc. legen, natürlich ist Weiterbildung wichtig, aber solange der Kopf voller Sorgen über die Existenz ist, fehlt die Kapazität, sich damit zu beschäftigten. Sogar Richard Nixon hatte die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens geplant. Eine Reihe unglücklicher Umstände und natürlich politischen Ränken haben dies verhindert.

Ich muss mich etwas zurückhalten, es sind so viele spannende Einblicke in dem Buch, dass ich gerne alles etwas näher ausführen möchte. Wie den Bereich „Kennzahlen für eine neue Ära“, wo es darum geht, wie wir Wohlstand und Zufriedenheit in Zukunft messen wollen und warum das Bruttoinlandsprodukt (BIP) heute nicht mehr dafür geeignet ist. Wie die Illusion, wir haben für vieles keine Zeit, weil Effizienz und Produktivität ein zu hohen Stellenwert haben. 

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es war der Kapitalismus, der das Tor zum Land des Überflusses aufstieß, aber der Kapitalismus kann nicht die einzige Grundlage dieses Landes sein. Der Fortschritt wird mittlerweile mit wirtschaftlichem Wohlstand gleichgesetzt, aber im 21. Jahrhundert werden wir andere Wege finden müssen, um unsere Lebensqualität zu verbessern.

Seite 27

Zur Mitte des Buches starte das Thema „die 15-Stunden-Woche“. Natürlich werden bekannte Ökonomen wie Keynes zitiert, die vorausgesagt haben, dass wir durch steigende Lebensstandard im Jahr 2030 nur noch 15 Stunden die Woche arbeiten müssten. Tja, und dann folgen viele Seiten, warum wir da bisher nicht angekommen sind. Dabei geht es auch um Care-Arbeit, gleiche Verteilung von Lohn- und Care-Arbeit. Und welche Probleme wir nicht alle lösen könnten, wenn wir weniger arbeiten, u. a. weniger Stress, weniger CO2 (Genuss von Wohlstand durch Freizeit, nicht Konsum), weniger Unfälle, weniger Arbeitslosigkeit, weniger Ungleichheit … und viele weitere Themen. Es geht auch um die Bedeutung von Jobs und deren „Wertigkeit“ im Sinne der Bezahlung. Natürlich gibt es auch Vorschläge, was geändert werden könnte. 

Der Zweck einer kürzeren Arbeitswoche ist nicht, dass wir alle untätig herumsitzen können, sondern, dass wir den Dingen, die uns wirklich wichtig sind, mehr Zeit widmen können.

Seite 171

Im letzten Drittel von Utopien für Realisten geht es um offene Grenzen und Entwicklungsarbeit und das vieles, was wir heute als Entwicklungsarbeit leisten, nicht den gewünschten Mehrwert bringt. „Offene Grenzen würden die ganze Welt doppelt so reich machen, wie sie heute ist.“ Seite 212

Die häufig gehörten Aussagen über Einwanderung aus dem globalen Süden nimmt Bregman auf und bringt dazu passende (teilweise belegt durch Studien) Gegenaussagen. 

Im Nachwort geht Bregman noch darauf ein, warum die Politik häufig keine drastischen Maßnahmen anstoßen. Und warum es gerade hier die Utopie braucht. 

Meine Meinung zu Utopien für Realisten

Für mich war die Gedanken, dass wir heute (im globalen Norden) in der Utopie leben, die sich die Menschen im Mittelalter gewünscht hätten (immer genug zu essen, ein Dach über dem Kopf, „nur“ 8 Stunden Lohnarbeiten am Tag = also im Überfluss leben) ein richtiger Aha-Effekt. Ich sehe häufig nur die Probleme und was schlecht läuft, aber vergesse zu würdigen, was ich bereits habe. 

Egal welches der Themen im Buch angesprochen wird, es wird über Projekte und Vorhaben dazu berichtet, warum diese ggf. eingestellt wurden. Und vieles passt in das vorgestellte Schema, wie Utopien immer bekämpft werden.

Der renommierte Ökonom Albert Hirschman erklärt, alle Utopien würden anfangs mit drei Begründungen attackiert: Sie seien aussichtslos (es ist unmöglich), gefährlich (die Risiken sind zu groß) und widernatürlich (es wird in einer Dystopie enden). Aber Hirschman hat auch beobachtet, dass eine Utopie, wenn sei einmal verwirklicht ist, fast augenblicklich als vollkommen normal betrachtet wird.

Seite 49

Wenn ich mir diese drei Punkte und einige aktuelle politische Diskussionen anschaue, würde ich sagen: es passt. 

Daher brauchen wir heute neue Utopien, für die wir kämpfen wollen, um ein besseres Leben zu haben. Damit meine ich nicht, dass Bild des besseren Lebens aus Sicht des Kapitalismus. Es geht um Umverteilung, eine neue Definition von Wohlstand, die Erwerbsarbeit ist nicht mehr der einzige Sinn und Zweck des Daseins zu sehen und dabei noch die Klimakrise zu verhindern.

Fazit

Einfach ein spannendes Sachbuch. Beim Schreiben der Rezi, bin ich wieder an den markierten Absätzen hängen geblieben und habe etwas gelesen. Mir gibt das Buch ein wenig mehr Hoffnung, doch von einer anderen, hoffentlich besseren Welt zu träumen, in der wir uns nicht alle selber fertigmachen und am Ende vernichten. Ich denke, ich werde mir das Buch irgendwann wieder aus der Bücherei ausleihen und noch einmal lesen. Daher eine große Leseempfehlung von mir. Schau mal, ob deine örtliche Bücherei „Utopien für Realisten“ hat. Wenn nicht, schreibe deine Bücherei an und frage nach, ob sie es in ihren Katalog mit aufnehmen wollen. 

Auf meiner Liste #12für2023 steht ein weiteres Buch von Rutger Bregman „Im Grunde Gut“. Das Buch werde ich im März gemeinsam mit Antje von Das Buchzuhause lesen. Ich freu mich schon sehr darauf. 

Wenn du dich für das Thema Wohlstand ohne Wachstum interessierst, lege ich dir meine Buchbesprechung zu Tim Jacksons Buch ans Herz. 

Eckdaten zum Buch

TitelUtopien für Realisten
Autor*innenRutger Bregman
Übersetzer*inStephan Gebauer
VerlagRowohlt- Link ecobookstore, 2019
Seiten304
ISBN978-3499633000
Preis12,00 € Taschenbuch
9,99 € eBook

Klappentext

Historischer Fortschritt basierte fast immer auf utopischen Ideen: Noch vor 100 Jahren hätte niemand für möglich gehalten, dass die Sklaverei abgeschafft oder die Demokratie wirklich existieren würde. Doch wie begegnen wir den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt, des Familienlebens, des gesamten globalen Gefüges? Der niederländische Vordenker Rutger Bregman sagt: «Das wahre Problem unserer Zeit ist nicht, dass es uns nicht gut ginge oder dass es uns in Zukunft schlechter gehen könnte. Das wahre Problem ist, dass wir uns nichts Besseres vorstellen können.» Wir müssen es wagen, das Unmögliche zu denken, denn nur so finden wir Lösungen für die Probleme unserer Zeit.


Findest du auch, wir brauchen wieder mehr Utopien? 

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