Trägt das Individuum die Verantwortung für die Lösung der Klimakrise?

Vielleicht hast du es auf Instagram oder meinem Quartalsrückblick entnehmen können, ich nehme an einem VHS Kurs „klima.fit“ teil. Die ist ein gefördert Kurs, der von WWF, dem Helmholtz-Institut und der Uni Hamburg entwickelt wurde. Ziel ist es, interessierte Bürger*innen die Hintergründe des Klimawandels näher zu bringen und hoffentlich neue Initiativen zu entwickeln. 

Bisher haben zwei Termin stattgefunden, neben der Vermittlung von Inhalten, findet die klima.fit Challenge statt. Während des Kurses sollen die Teilnehmenden durch verschiedene Maßnahmen (weniger Fleisch essen, mehr Radfahren statt Autofahren etc.), die eigenen Treibhausgasemissionen reduzieren. Natürlich ist es interessant zu sehen, welches Verhalten wie viel Einfluss auf die Entwicklung der Treibhausgasemissionen hat. Nur ist das der richtige Ansatz? Für mich entsteht der Eindruck, so wird dem Individuum die Verantwortung zur Lösung der Klimakrise übertragen.

Können viele Einzelpersonen die Klimakrise abwenden?

Ich glaube nicht. 

Ich persönlich habe in einzelnen Bereichen die Wahlmöglichkeit, mein Verhalten zu ändern. Wie regional und saisonal einzukaufen, am besten in bio und unverpackt. Ich nutze Ökostrom, fahre kaum Auto und versuche nachhaltigere Produkte zu erwerben. Wobei es in meinen Augen einen nachhaltigen Konsum nicht gibt. Konsum verursacht immer Treibhausgase.

Aber nicht alle Menschen haben diese Möglichkeiten. Wenn der ÖPNV nicht vorhanden bzw. nur selten fährt, braucht mensch meist ein Auto. Wenn die Mietwohnung mit Öl heizt, lässt sich dies auch nicht eben umbauen. Am ehesten könnten sich alle pflanzlich ernähren, aber wissen auch alle, wie groß der Vorteil fürs Klima ist. Nach meinem Gefühl steht es zwar überall, aber manchmal glaube ich, ich lebe hier auch in einer Blase und nehme die entsprechende Berichterstattung bewusster wahr. Dafür anderes weniger.

Hast du mitbekommen, dass Anfang April der 3. Teilbericht des IPCC veröffentlicht wurde? Die Heinrich-Böll-Stiftung hat eine erste Zusammenfassung veröffentlicht, auf die angekündigte Analyse warte ich noch. 

Der IPCC-Bericht zur „Minderung des Klimawandels“ enthält viel von dem, was nötig ist, um das 1,5°C-Limit einzuhalten: Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, Wind- und Solarenergie, umfassende Elektrifizierung und Senkung der Energie- und Ressourcennachfrage, insbesondere im Globalen Norden, Veränderungen der Nahrungsmittelsysteme und der Ernährungsgewohnheiten, Schutz und Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme im Einklang mit den Rechten lokaler Gemeinschaften und indigener Völker.

Linda Schneider https://boell.org/index.php/de/2022/04/04/ipcc-veroeffentlichung-teilbericht-3

Der neuste Bericht macht noch einmal klar, einer der größten Hebel zur Reduktion der Treibhausgase ist der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. 

Die größten Treibhausgasemittenten ist die Energiewirtschaft (also, die Umwandlung von Kohle etc. in elektrische und/oder Wärme-Energie), gefolgt von Verkehr, Industrie, private Haushalte und Gewerbe-, Handels- und Dienstleistungssektor. 

Kreisdiagramm mit den Sektoren Energie, Industrie, Verkehr, Private Haushalte und Gewerbe, Handel und Dienstleistungen
Energiebedingte Treibhausgasemissionen in Deutschland 2019, eigene Grafik, Zahlen vom Umweltbundesamt https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/energiebedingte-emissionen#energiebedingte-treibhausgas-emissionen

Bei den größten Emittenten ist mit entsprechenden Regeln anzusetzen. Und ja, ggf. hat dies Einfluss auf den Erfolg der Unternehmen, diese haben aber auch viele Jahre auf Kosten der Umwelt Gewinne eingefahren. Vermutlich werden diese Unternehmen aber neue Geschäftsmodelle entwickeln. 

Wer kann hier nun Einfluss nehmen? 

Unternehmen

Theoretisch die Unternehmen selber. Einige fordern bereist den Wandeln, können/wollen aber nicht alleine handeln, um sich nicht selber gegenüber Konkurrenten zu benachteiligen. Andere betreiben eher Greenwashing und/oder versuchen mit klimabewussten Verbraucher*innen zusätzlich Geld zu verdienen. 

Nationale Regierungen und Verwaltungen

Es braucht hier politische Regelungen von Bund übers Land bis hin zu den Kommunen. Ziel muss eine konsequente Reduzierung der Treibhausgase sein, mit gleichzeitig Ausbau erneuerbarer Energie, damit uns genügend Strom zur Verfügung steht. Kommunen können an die Ansiedlung von Unternehmen Bedingungen stellen, die erfüllt werden müssen, damit die Fläche verkauft wird. Entsprechende Anforderungen zur Erteilung der Baugenehmigung stellen (ggf. Anpassung des Rechtsrahmens durch Bund und Länder). Einzelne Ideen und Maßnahmen gibt es schon, diese sollten aber besser gebündelt werden.

Internationale Politik, Staatenabkommen

Mit dem Kyoto-Protokoll und dem Pariser abkommen wird versucht, einen gemeinsamen Weg zu gehen.  Dabei wurden Ziele wie das 1,5 Grad Ziel bestimmt. Doch die Umsetzung bleibt den einzelnen Staaten überlassen. Da spielen dann wieder viele Interessen mit rein und es dauert länger als geplant. 

Einzelpersonen

Einige verweisen auf die Verbraucher*innen, wenn sie dieses und jenes nicht mehr kaufen, wird es auch nicht mehr produziert. Dies setzt aber Wissen und Wahlmöglichkeiten voraus. Weiß ich, welche Produkte, Inhaltsstoffe etc. schädlich sind bzw. durch die Produktion große Mengen Treibhausgase produziert haben? Und wenn ich es weiß, gibt es wirklich eine Alternative? Trägt wirklich das Individuum die Verantwortung?

Erinnerst du dich an meinen Artikel über Onlinebestellungen vs. Vorort kaufen. Die Unterschiede waren klein und je nach Bedingungen ist das eine oder das andere besser. Auch dort schreibe ich, die meisten Treibhausgase entstehen bei der Produktion und teilweise bei der Nutzung, die Logistik zum Endverbrauchenden macht nur wenig aus, je nach Produkt bis zu 10 %. Selbst wenn ich weiß, dass ich weniger konsumieren sollte und das vielleicht auch tue. Bleiben die Produkte über, die ich kaufe und letztlich weiß ich nicht genau, wie es produziert wurde und wie viele Treibhausgase dabei entstanden sind. 

Also warum wird so getan, als ob das Individuum die Verantwortung für die Maßnahmen trägt?

Vielleicht weil es einfach ist? Wir sind so viele Menschen, jede*r kann die Verantwortung einfach weiter schieben. Die Politik schiebt es auf die Gesellschaft und Unternehmen. Die Unternehmen auf die Politik und die Einzelpersonen. Die Einzelpersonen sehen sowohl die Politik und Unternehmen in der Pflicht, teilweise auch erst einmal andere Staaten. Aber auch die anderen Individuen. Der eine fliegt in den Urlaub, die andere fährt einen SUV, dort wird ständig Fleisch gegessen oder alles in Plastik gekauft. So lange andere es nicht besser machen, ist der eigene Beitrag doch kaum relevant. 

Ich gebe auf diesem Blog auch Tipps, wie mensch nachhaltiger leben kann. Zum einem glaube ich, schadet dieses Verhalten nicht, der Effekt auf die Klimakrise ist nur nicht so groß. Zum anderen ist dies für mich die einfachste Möglichkeit, etwas zu tun. Ich sehe die Klimakrise und habe Angst, wie sich unser Leben dadurch verändern wird. Ich kann versuchen, bei Wahlen entsprechende Entscheidungen zu treffen, aber das garantiert mir keine Klimapolitik, die wirklich die Entscheidungen trifft, die nötig sind. Mein Einfluss auf die EU und andere Staaten ist noch geringer. Um also etwas zu tun, setzte ich auch beim Individuum an und hoffe, das Wissenschaft und Regierungen doch noch die richtigen Steine ins Rollen bringen. 

Also am Ende ist das Abwälzen der Verantwortung auf das Individuum von einigen eine Ablenkungsstrategie vom eigenen Nicht-Handeln und andere wollen gegen das Ohnmachtsgefühl ankämpfen, um wenigstens etwas zu tun. 
Ich habe meinen Weg auch noch nicht gefunden. Diesen Blog nehme ich, um meinen eigenen Weg zu zeigen und meine Gedanken zu sortieren. Den VHS Kurs habe ich belegt, um inhaltlich etwas dazu zu lernen. Jetzt brauche ich nur noch ein, zwei gute Ideen, wo ich aktiv werden kann, damit die politischen Regelungen kommen.


Was ist deine Meinung zum Thema Verantwortung des Individuums? Hast du Idee, wo mensch sich engagieren kann?

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3 Kommentare

  1. Mega Artikel! Danke dafür! Den Inhalt kann ich auch so nur unterschreiben 🙂

  2. Hallo Jenny,

    Ein richtig guter Beitrag zum Thema, danke dir dafür!

    Jede*e Einzelne kann sich engagieren, das Verhalten ändern und sollte dies auch tun. Einfach allein schon deshalb, um dafür zu sensibilisieren. Manches zeigt ja schon Erfolge, wie z. B. dass immer mehr Menschen sich für pflanzliche Ernährung interessieren und Unternehmen dies erkennen und die Produktion um diese Produkte erweitern bzw. dafür auch teilweise z. B. weniger Milchprodukte herstellen. Dies ist ein Beispiel, wo die Nachfrage mal den Markt regelt und das geht bestimmt noch bei mehr Produkten.

    Um das Ganze zu beschleunigen und auch die Lobbywirtschaft auszubremsen, sind staatliche Regeln notwendig. Wenn die Unternehmen nicht freiwillig anfangen, sind Regeln notwendig und auch eine andere Bepreisung. Zu oft wird noch im Bereich fossile Energie subventioniert und noch weitere Subventionen, die nicht zukunftsfördernd sind. Hier ist Engagement von den einzelnen Personen gefragt. Immer mal wieder nachhaken, darüber schreiben, darüber reden und dementsprechend auch die Lokalpolitiker*innen “nerven” und nachfragen, was denn passiert im Bereich Mobilität, was wird getan, um vor Hitzewellen zu schützen, was wird getan, um Starkregenereignisse besser abfedern zu können usw.

    Der individuelle Fußabdruck ist eine ganz gute Sache, auch wenn er von einem Erdölförderer erfunden wurde, um genau das zu tun, was du ansprichst, nämlich die Verantwortung auf das Individuum abzuwälzen und nicht die großen Emittenten ins Visier zu nehmen. Der Fußabdruck macht sichtbar, was noch an Arbeit vor uns legt und ich wäre zum Beispiel dafür, dass alle Unternehmen und Behörden jährlich ihren Fußabdruck offenlegen sollten und dass es keinen Zertifikatehandel mehr gibt. Dann würde es vermutlich höhere Anstrengungen geben. Nur auf Freiwilligkeit zu setzen, hat schon bei der Covid 19 Pandemie nicht geklappt.

    Liebe Grüße

    Antje

    • Danke dir.
      Ja, rein auf Freiwilligkeit zu setzen wird nicht reichen. Unternehmen sollten für sich uns ihre Produkten Treibhausgasbilanzen aufstellen müssen, dadurch würde es für alle transparenter, wieviel Treibhausgase ein Unternehmen bzw. das jeweilige Produkt verursacht. Anhand dieser Werte würde sich auch Regeln/Grenzwerte aufstellen lassen, welche Produkte in den Markt gelangen dürfen.


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